Vom Comer See führt unser Weg nach Andelsbuch über den Splügenpass in die Schweiz. Ist aber schon recht schnell wieder zu Ende bzw Unterbrochen. Eine Straßensperre macht ein weiterkommen erst ab 12 Uhr möglich. Jetzt ist es 10 Uhr. Mitten auf dem Pass müssen wir anhalten, da Straßenarbeiten wegen eines Geröllrutsches andauern. Passieren nur von 6-8 Uhr, 12-14 Uhr und irgendwann Abends noch mal möglich. Da haben wir mit unseren 2 Stunden noch mal Glück. Jolly hat Pause und wir gehen zum Zeitvertreib ein Stück abseits an den Torrente Liro(Fluß). Schuhe aus. Füße ins Wasser. Herrlich kühl. Wir klettern ein wenig auf den Steinen rum. Dann ist leider eine Hose etwas nass, aber bei dem Wetter nicht weiter tragisch 🙂 Kurz vor 12 Uhr. Gleich gehts weiter. Ab zum Jolly. Schnell noch was essen und trinken und ab geht die wilde Fahrt.
Pass fahren ist immer eine spannende Angelegenheit mit dem dicken Jolly. Vor allem dieser Pass. Sehr enge Haarnadelkurven mit einem Gefährt von knapp 6 Metern Länge, geht am einfachsten im Team. Ich gucke in Rechtskurven ob frei ist und Sam holt aus. Manchmal kommen wir nicht in einem rum und müssen noch mal zurück setzen. So zieht sich das. Die Schlange hinter uns wird immer länger. Zudem kann man der Tanknadel beim Fallen zuschauen. Und mal wieder ist der Tank nicht wirklich voll, noch nicht mal halb voll. Das ist ja wieder was für mich. Irgendwann kommen Tunnel hinzu. Auf einem alten, schmutzigen Schild steht was von 2,30 Meter Höhenbegrenzung. Durch das Solar sind wir bestimmt bei 2.60 Meter. Werden wir es schaffen? Fahren wir gleich Cabrio? Oder müssen wir auf der engen Passstrasse umdrehen und alles wieder zurück fahren? Nein! Müssen wir nicht. Ich vermute, dass das Schild 2.80 heißen sollte. Auf jeden Fall haben wir genug Platz und werden am Ende belohnt. Oben angekommen erscheint ein Plateau mit dem Lago di Montespluga. Überall Blumen, ein Türkisfarbener See, blauer Himmel. Uns bleiben die Münder offen stehen. Kurz anhalten, Aussicht genießen, ein Paar Bilder machen und weiter. Vor uns die Schweizer Grenze. Wo ein Pass rauf führt, führt er auch irgendwann wieder runter. Es eröffnet sich ein weiter Blick. Hohe Berge, tiefe Täler, blauer Himmel, alles grün und glasklare, türkisfarbene Flüße. Uns bleibt wieder der Mund offen stehen. Gewaltigst! Das ist die Schweiz. Wie gemalt. Nicht weit von hier entspring übrigens der Rhein aus seiner Quelle.
Endlich wieder Autobahn fahren. Eine ganze Zeit lang fahren wir am Rhein entlang (Hinterrhein). Irgendwann hinter Lichtenstein biegen wir rechts ab nach Österreich und fahren dort nach Schwarzach bei Dornbirn, am Bregenzer Wald. Hier treffen wir Karl und Jakob, Freunde von Sam aus Köln. Die, mit denen wir fliegen gehen wollen. Die beiden sind bereits 2 Tage vor Ort und haben sich einen schönen Platz am Fluß gesucht. Einmal Abkühlung bitte, denn es ist immer noch sehr heiß. Der Fluß ist erquickend. Anstelle von Mücken haben wir jetzt übigens Stubenfliegen im Jolly. Und nicht nur 2. Nein! Bestimmt 30-40 Stück oder mehr! Die finden es total gut sich morgens früh, sobald es hell wird, aufs Gesicht zu setzen. Arrrrgh! Und raus bekommt man sie auch nicht. Da sie uns nicht verlassen wollen bekommen sie halt Namen: Olaf, Günther, Puck, Otto, Horst…
Nach gemeinsamen Essen, Trinken und Zeitvertreiben wie Boule spielen oder Uno, kommt die Kaltfront mit Regen. Am nächsten Morgen hat es deutlich abgekühlt. Endlich noch mal meine normale Bettdecke und man muss sogar eine Jacke anziehen! Wir fahren nach Andelsbuch zum paragliden. Am Startplatz „Niedere“ sind wir nicht alleine. Auch in der Luft herrscht reges treiben. Es ist Wochenende. Hier oben auf 1700 Metern ist es echt kalt. Gut, dass wir immer die dicken Jacken zum Fliegen dabei haben. Ich schaue mir das Gewimmel eine ganze Zeit lang vom Startplatz aus an. Irgendwann ist mir dann so kalt, dass ich beschließe runter zu fliegen. Die anderen drei kommen zwischendurch mal Toplanden, weil ihnen zu kalt ist und die Blase drückt. Unten angekommen ist es deutlich wärmer. Hier bleib ich. Schön nen Cappuchino trinken und was in der Sonne lesen. Irgendwann bekomme ich dann wieder Gesellschaft. Die drei trudeln nach Aussenlandungen, nacheinander am Parkplatz ein. Wir beschließen einen neuen Nachtplatz aufzusuchen. Irgendwo in einer Senke, neben einer Scheune, versteckt am Waldrand, Blick auf die Berge, umgeben von grünen Wiesen (der Weg dahin war steil und nur aus Schotter. Hoffentlich kommen wir da wieder hoch morgen?) Hier grillen wir und lassen es uns gut gehen. Am Morgen werden wir durch unsere lieben Fliegen und einer Motorsäge geweckt. Wir frühstücken in der Sonne. Zum ersten mal in meinem Leben finde ich etwas, wonach ich schon immer gesucht habe: ein vierblättriges Kleeblatt! Also wenn das kein Zeichen ist? Heute gehen wir zur Abwechslung wieder paragliden 😉 Zum Glück kommt der dicke Jolly mit ausreichend Anlauf den Berg hoch. Die Herren haben Spaß in der Luft und ich begnüge mich nach meinem Flug wieder mit meinem Buch in der Sonne. Alle sind zufrieden.
Heute spielt Deutschland in der WM-Vorrunde gegen Schweden. Wir vier gehen in den Ort um in einer Kneipe das Spiel zu sehen. Auch hier fällt wieder einmal auf: die Österreicher sind nicht wirklich auf der Seite ihrer lieben Nachbarn und freuen sich total als Schweden ein Tor schießt. Deutschland gewinnt in einem nervenaufreibenden Spiel mit 2:1.
In dieser Nacht bleiben wir mit den Autos am Landeplatz. Liebevoll geweckt (auf dem Gesicht sitzend) werden wir wieder von unseren lieben Mitbewohnern: Olaf, Günther und wie sie alle heißen. Am Landeplatz in Andelsbuch auf dem Parkplatz der Bergbahnen darf man offiziell stehen. Die Toiletten an der Liftstation sind die ganze Nacht geöffnet und super sauber. Gegen halb 9 kommt dann nur ein freundlicher Herr der 6 Euro für das Auto und 2 Euro pro Person kassiert. Sprich 10 Euro pro Nacht und ne saubere Toilette. Vollkommen okay. Zahlen wir gerne. Heute fahren wir mal nicht mit dem Lift. Sam und ich müssen uns noch mal was bewegen. Wir gehen hoch. Nach 1:55 Stunden haben wir es geschafft. Karl und Jakob haben unsere Wanderroute aus der Luft verfolgt. Dies ist jetzt mein erster längerer Flug. Das Wochenende ist vorbei. In der Luft ist nicht so viel Verkehr und die Bedingungen sind auch super für mich. Ich bin mega stolz. Endlich. 🙂
Karl hat von den Tagen ein Video geschnitten und hochgeladen. Viel Spaß beim ansehen.
Leider müssen wir uns heute Abend von Karl und Jakob verabschieden. Die Arbeit ruft, bzw Jakob möchte noch weiter in die Schweiz. Aber wen haben wir denn da? Daniel, den wir 3 Wochen zuvor in Sillian bei BlueSky getroffen haben und der mit Sam und Karl das Sicherheitstraining in Annecy gemacht hat. Kleine Welt. Daniel gibt zudem noch Teresa aus Ulm bescheid (siehe Fliegen mit Freunden ), die sich ganz in der Nähe befindet. Karl und Jakob gehen. Leider. Daniel und Teresa kommen. Erstmal ein Willkommensbier. Oder 2, oder 3. Irgendwann beginnt es zu tröpfeln. Wir setzen uns noch in unseren Jolly, trinken noch ein Bier und dann lösen wir unsere neue Runde auf. Ist ja auch schon spät.
Der nächste Morgen beginnt mit Regen. Das zieht sich bis zum Mittag. Um die Wartzeit optimal zu nutzen, schneidet Teresa Sam die Haare. Mit einer ausgemusterten Schere und einem rosa Kamm geht es an die viel zu lang gewordene Mähne. Vielen lieben Dank, Teresa! Interessierte Zuschauer gibt es natürlich auch. Liegt wahrscheinlich an der grünen Mülltüte, die als Umhang dient. Dann kommt die Sonne zurück. Sam und ich gehen wieder zu Fuß und sind sogar 10 min schneller als am Vortag. Oben treffen wir auf Teresa und Daniel. Leider ist kurz zuvor ein Unfall passiert, wobei die Beiden Zeugen und auch Ersthelfer waren. Einen missglückten Start muss ein Holländer leider mit einem gebrochenem Fuß bezahlen. Auch so kann es gehen. Wir gönnen uns noch einen Moment um das zu verarbeiten und dann gehen wir alle vier raus. Mein zweiter längerer Flug. Hier lerne ich auch zum ersten Mal die Energie einer Wolke kennen. Aufgrund von Horrorgeschichten anderen Fliegermädels, bekomme ich leicht Stress und lege sofort die Ohren meines Gleitschirms an, um Höhe zu verlieren. Leider sagt mein Vario mir was anderes. Immer noch steigen. Ich ziehe die Leinen noch mal nach, um die Ohren zu vergrößern und stehe voll im Beschleuniger. Meine Unterarme beginnen taub zu werden. Mein Bauch kribbelt und meine Oberlippe ebenfalls. Ich habe Stress. Großen Stress. Zum Glück habe ich den Rand der Wolke fast erreicht. Über mir ist ja auch noch ausreichend Abstand zur Wolke. Aber das Wissen, wenn ich in der Wolke bin, keine Orientierung mehr zu haben, macht mir Angst. Endlich beginne ich zu sinken. Die Ohren halte ich noch etwas. Die Streßsymptome lassen nach. Okay, hab ich das auch mal erlebt. Krass, wie mein Körper reagiert hat. Weiß ich für das nächste Mal bescheid. War doch eigentlich nicht so schlimm. Eigentlich alles unter Kontrolle und richtig gemacht. Zurück auf dem Boden trinken wir noch ein gemeinames Landebier bzw. Landeradler und dann verabschieden wir uns auch wieder von den beiden.
Wieder alleine. Die Nacht verbringen wir am Sportlatz in Andelsbuch. Als wir am Morgen los fahren wollen passiert das, was schon längst überfällig war. Ich habe vergessen die Schranktüre zu zumachen. Hier drin befindet (oder befand) sich unser Geschirr und die Gläser. Ein ohrenbetäubender Krach. Jetzt ist ALLES kaputt. Eigentlich sind nur 3 Teller und 3 Gläser kaputt. Die guten Weingläser! Hat sich schlimmer angehört als es war. Trotzdem herrscht schlechte Stimmung. Ich bin tierisch sauer auf mich selbst. Die Lust auf Fliegen ist vergangen. Wir verlassen Andelsbuch. Auf dem Weg an den Bodensee, machen wir halt an einer Tankstelle, um unseren Jolly einmal auszusaugen. Meistens sind wir nämlich barfuß im Auto unterwegs. Bock auf Glas- oder Porzellansplitter im Fuß haben wir nicht. Bis wir am Bodensee ankommen, ist die schlechte Laune so gut wie weg. Mit dem Rad fahren wir an den See. Chillen. Baden. Sonnen. Noch schnell Kaffee und Kuchen am Jolly und weiter gehts nach Schaffhausen, Schweiz.